Wein und Glas - ein Tasting mit Riedel-Gläsern

| Erstellt von Katja Ruhl

Um aus der Symbiose aus Rebsorte, Weinberg, Boden, Klima und der Handschrift des Winzers, kurzum aus dem Wein, das Beste für den Genießer zu extrahieren, ist ein auf die Rebsorte zugeschnittenes Glas Gold wert. Diese Erfahrung hat das Team vor Kurzem machen dürfen, als wir Weine aus verschiedenen Gläsern der Firma Riedel probierten.

Der Faszination für Wein liegt vieles zugrunde - die Handschrift und Historie des Winzers, die Lage, die Lese - aber vor allem das Phänomen, das im Glas die unterschiedlichsten Aromen wahrzunehmen sind. Rieslinge muten mit kühler Frische an, betören durch Citrus- und Steinobstnoten. Spätburgunder duften nach roten Beeren, sind samtig im Geschmack, können Anklänge von Zimt, Mandel oder Vanille haben. Die Wein-DNA scheint im Weinberg mit seinem Klima und seinem ganz eigenen Mikrokosmos verankert und wird nur vom Geschick des Winzers im besten Sinne beeinflusst und gelenkt.

Um aus der Symbiose aus Rebsorte, Weinberg, Boden, Klima und der Arbeit des Winzers, kurzum aus dem Wein, das Beste für den Genießer zu extrahieren, ist ein auf die Rebsorte zugeschnittenes Glas Gold wert. Einen filigranen Weißen würde man nie aus einem bauchigen Rotweinglas probieren, doch warum sollte man einen Oaked Chardonnay aus einem Riesling-Glas trinken, wenn dies bedeutet, dass der warme, weiche Wein dadurch verhalten und unverhältnismäßig spritzig schmeckt? Genau diese Erfahrung machten wir jüngst bei einer Schulung in Sachen Weinglas.

Das Team hat Verkaufsleiter Gerald Niederberger von der Firma Riedel nach Heidesheim eingeladen, um uns von den Vorzügen sortentypischer Gläser zu überzeugen.

Die Historie...

Übrigens kann sich kaum ein Unternehmen einer ähnlich langen Familientradition rühmen. Die Erfolgsgeschichte setzte 1673 mit Johann Christoph Riedel ein, der - ansässig in Böhmen - mit hochwertigen Glaswaren handelte. Viele Generationen später entwickelte 1956 in Kufstein in Tirol Claus Riedel als Erster in der Glasgeschichte ein ausgeklügeltes Weinglas, das mit Form, Größe und Mundranddurchmesser den Genuss auf eine andere Ebene heben sollte. Die langstieligen, glatten, dünn geblasenen Gläser ermöglichten es plötzlich dem Wein, seinen wahren und vollumfänglichen Geschmack zu entwickeln.

Nur eine Generation später ebnete Claus‘ Sohn Georg in enger Zusammenarbeit mit seinem Vater, mit einem Expertenteam, mit Winzern und Mitarbeitern den Weg zu einer weinfreundlichen und rebsortenspezifischen Glaskollektion. 1986 brachte Georg mit Vinum dann die erste maschinell gefertigte Reihe feiner rebsortenspezifischer Gläser auf den Markt. Erschwinglich vom Preis erschloss sich Riedel ein neues Publikum. Die Grundsteine für den weltweiten Erfolg und ein Umdenken in Sachen Sensorik waren gelegt.

Die Glasprobe...

Nachdem wir einige interessante Einblicke in den Werdegang der Familie erhalten hatten, ging es zum praktischen Part: Wir durften Weine aus Gläsern der Reihe Veritas probieren. Vor uns standen Weingläser für Oaked Chardonnay, Riesling/Zinfandel, Old World Pinot Noir und Cabernet/Merlot. Mitgebracht hatte Gerald Niederberger dazu vier Köstlichkeiten:

  • Weingut Kruger-Rumpf Riesling Münsterer Pittersberg 2016
  • Weingut Theo Minges Chardonnay Kalkmergel 2017
  • Weingut Dr. Heger Spätburgunder Mimus 2014
  • Château Capbern Gasqueton Saint-Estèphe 2011

Den Anfang machte der Riesling, im sortentypischen Glas begegnete er uns mit üppig-reifer Gelbfrucht, mit steinigen Aromen und einer filigranen aber präsenten Mineralik in der Nase. Im Chardonnay-Glas verlor sich dieses Bukett völlig. Geschmacklich präsentierte sich der Wein im sortentypischen Glas dann trocken und frisch. Im Chardonnay-Glas wiederum wirkte er verloren, die Zitrusfrucht geriet völlig in den Hintergrund und mit einem unharmonischen Abgang verabschiedete sich der Wein schließlich fast ohne Nachklang.

Ähnliche Erfahrungen sollten wir auch mit den drei anderen Weinen machen. Der klassisch im Holz ausgebaute Chardonnay duftetet und schmeckte aus dem Riesling-Glas wesentlich verdeckter, seine eigentlich harmonisch eingebundene Holznote, die im sortentypischen Glas schön herauskam, verlor sich beinahe im „falschen“ Glas.  Das Oaked-Glas unterstrich da perfekt die Harmonie und die Aromen- und Geschmackskomponenten des Chardonnays. Ein rundum gelungener Wein, der erst aus dem richtigen Glas getrunken, im Gedächtnis bleibt.

Waldbeerenaromatik und feines Holz empfingen Nase und Gaumen beim Verkosten des Spätburgunder Mimus im sortentypischen Glas. Im Bordeaux-Glas kam der Wein mit weniger Frucht daher, mit nahezu speckig-fetten Aromen und einem erschreckend bitteren Nachhall. Der Wein schmeckte schlichtweg nicht nach Spätburgunder.

Interessanter Fakt zum Spätburgunder-Glas von Riedel: Der Mundrand ist einer Lippe nachempfunden, man streckt dadurch unbewusst die Zunge dem Wein entgegen. Der Wein kommt also dort, wo bekanntlich Süße am prägnantesten geschmeckt wird, an: der Zungenspitze. Die Süße der Frucht wird in diesem Glas gefördert, die Säure dagegen hintangestellt. Kurzum: Das Glas bietet ideale Voraussetzung, um die Harmonie eines qualitativen Spätburgunders in all seinen Ausprägungen zu schmecken.

Das letzte Glas wartete auf seine Rehabilitation: der gerne auch als Tanninmanager bezeichnete Kelch für Cabernet/Merlot. Er ist optimal für den fülligen zupackenden Bordeaux. Betörte er uns im sortentypischen Glas mit Aromen von Nuss, Muskat, Kirschkernen und im Geschmack mit griffiger, dunkler Frucht, mit lederigen Noten und Tabakanklängen und wunderbar eingebunden Tanninen, ließ er uns im Spätburgunder-Glas kalt. Der Wein war plötzlich flach, wirkte jünger und grüner, die Tannine waren im Abgang zu ruppig am Gaumen und die Fruchte kam uns heller vor.

Die Erkenntnis...

Wir verstehen nach diesem Tasting: Form und Größe des Kelches sowie der Durchmesser der Mundrandöffnung sind maßgebliche Faktoren, die Bukett und Geschmack beeinflussen.

Ein sortentypisches Glas ist aus unserer Sicht unerlässlich, um dem Kunden genau den Wein zu präsentieren, der mit Sorgfalt, Hingabe und der Idee von der einen ganz einzigartigen Stilistik vinifiziert wurde. Hier gilt es, den Käufer zu sensibilisieren für Sortentypizität und die entsprechenden Gläser, die aus dem Wein das Optimum herauskitzeln. Wer die Facetten großartiger Weine nicht verpassen möchte, sollte sich zumindest für seine Lieblings-Rebsorte ein darauf abgestimmtes Glas zulegen. Die Anschaffung lohnt.  

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